Das Nendelsche Y-Chromosom


Zwei Großfamiliengruppen mit dem Namen Nendel sind historisch belegt. Die eine lässt sich ab dem ausgehen 14. Jahrhundert in Oberfranken verfolgen, die andere findet sich ab dem 16. Jahrhundert in den historischen Quellen des mittleren Erzgebirgskreis in Sachsen. Aufgrund der Besiedlungsgeschichte des Erzgebirges kann davon ausgegangen werden, dass der Familienname Nendel aus Franken nach Sachsen hinein getragen wurde. Die beiden Gruppen sind also miteinander verwandt. Mit Hilfe schriftlicher Quellen lässt sich diese These jedoch nicht belegen. Hier sind moderne Technologien gefragt.
Als Douglas Wallace im Jahre 1988 bestätigte, das das genetische Material der menschlichen Mitochondrien ausschließlich von der Mutter auf die Kinder übertragen wird1, war ihm das Potenzial dieser Entdeckung für die genealogische Forschung nicht sofort klar. In der Folgezeit erwies sich dieser Umstand als glückliche Voraussetzung, um die Ausbreitungswege des modernen Menschen auf dem Globus nachzuvollziehen ( Mitochondriale DNS).
In der Genealogie spielt das mütterliche Erbgut jedoch kaum eine Rolle, denn der Familienname wird traditionell vom Vater auf die Kinder übertragen. Aber es gibt auch einen Teil des menschlichen Erbguts, der denselben Weg geht: das Y-Chromosom. Dieses Chromosom tragen nur die Väter zum Erbgut der Kinder bei. Kleine Veränderungen, sogenannte Polymorphismen im nicht-kodierenden Teil des DNS-Strangs des Y-Chromosoms haben keine Auswirkungen auf die Funktionalität des menschlichen Körpers und werden deshalb ebenso weitervererbt. Neue Polymorphismen kommen zwar selten vor, so dass einmal aufgetretene Polymorphismen lange erhalten bleiben, jedoch reicht die Zahl neu auftretender Polymorphismen durchaus, um einzelne Familien voneinander abzugrenzen, oder deren Verwandschaft zu belegen ( Y-Chromosomale DNS).
Im Falle der Familie Nendel lautet die Hypothese, dass die sächsische und fränkische Familiengruppe im 12. Jahrhundert noch eine zusammenhängende Familie bildeten. Das Muster der Polymorphismen der Y-Chromosomalen DNS, der Haplotyp, muss zu dieser Zeit bei den männlichen Familienmitgliedern also identisch gewesen sein. Da im Laufe von kaum mehr als achthundert Jahren wahrscheinlich nur eine, höchstens zwei weitere Polymorphismen aufgetreten sind, müssen die Haplotypen der heute lebenden Familienmitglieder noch immer extrem ähnlich sein. Um die These zu bestätigen, müsste also die DNS von heute lebenden Männern, deren Abstammung von fränkischen und sächsischen Nendels in rein männlicher Linie nachgewiesen ist, verglichen werden (Das Nendelsche DNS-Projekt).


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Quellen:

1 SAVIN, A. (2000): DNA for family historians. Eigenverlag.